Überfahrt ins Ungewisse

28.12.2018, 13:54, Rangon Pier, Thailand

Der Bus (ein frisierter Pickup ohne Türen, dafür mit hölzernem Aufbau, inklusive geschnitzten Verzierungen und gepolsterten Sitzbänken) war kaum zum Stillstand gekommen, als der Mann nach meinem Koffer griff. Ich gab ihm zu Verstehen, dass ich mein Gepäck trotz aller Wertschätzung selber tragen wollte. Für ihn war klar, wohin wir wollten und er wich nicht mehr von unserer Seite. Allerdings hatten wir Hunger und vertrösteten ihn auf später. Als dieses "später" kam, heftete er sich uns wieder an die Fersen. Auch ohne seine deutlichen Handzeichen hätten wir das Emmigration Office im Hafen gefunden. Nach ausgefüllten Ausreisekarten, fotografierten Gesichtern und abgestempelten Pässen wurden wir von unserem Begleiter zu weiteren Männern geführt. Uns wurde ein Formular gereicht mit der Aufforderung, unsere Name einzutragen. Es war eine Passagierliste für die Überfahrt nach Myanmar. Für mich war es an der Zeit, um den Preis in Erfahrung zu bringen. Wir hatten uns im Restaurant zuvor etwas informiert und konnte aus einer faktenbasierten Position heraus verhandeln. Der Preis schmolz innerhalb von kurzer Zeit von dreihundert auf hundert Bath (drei Franken), so wie es uns die gute, alte Frau beim Schöpfen ihres Curries anvertraut hatte. Die Männer tauschten böse Blicke unter sich aus. Es entstand der Eindruck, als ob die anderen Männer unseren Begleiter damit verdächtigten, uns den tatsächlichen Preis verraten zu haben. Ab sofort wollte niemand mehr unser Gepäck tragen.

Wir bestiegen das Longtail Boot auf welchem ein Familienvater mit zwei Jungen bereits Platz genommen hatten. Alle blickten uns scheu, fast ängstlich an. Ihre Gesichter wirkten anders als die der Thai und ihre Haut war dunkler. Wir waren uns einig, dass diese drei die ersten Burmesen waren, die wir gesehen hatten.

Weitere Menschen nahmen auf unseren Boot Platz und uns fielen augenblicklich die goldenen Bemalungen auf ihren Gesichtern auf. Wir vermuteten einen religiösen Hintergrund, auch wenn sie wie Pflegemasken wirkten, die sich einige Frauen zur Erhalt der Schönheit auf das Gesicht strichen. Auf unsere Sitzbank gesellte sich ein Mönch in orangen Roben. Nach wenigen Minuten Fahrt stoppten wir bereits. Unsere Pässe wurden von unserem Begleiter, der sich als so etwas wie dem Kapitän des Bootes herausstellte, eingezogen. Er verschwand damit in einem Holzhaus, an dessen Steg wir angelegt hatten. Der Mönch wirkte etwas nervös und gab mir mit Handzeichen und wenigen Englischen Worten zu verstehen dass es besser sei, wenn ich statt meiner Freundin neben ihm sitzen würde. Ich tat ihm den Gefallen. Wir hielten auf die offene See zu, als der Motor nach einer Weile erneut gedrosselt wurde. Ein weiteres Longtail Boot näherte sich uns von der Seite. Wir fragten uns, was das sollte und befürchteten im Scherz bereits Piraterie. Plötzlich sprang ein Mann zu uns herüber. Er entpuppte sich als der Vater der zwei Jungs heraus, die uns scheu anblickten, als wir das Boot betraten. Meine Freundin sagte nur:

 

«Der wird geschmuggelt.» Genauso schien es.

 

Langsam kamen die ersten Gebäude der Hafenstadt Kawthaung in Sicht. Die goldenen, spitz zulaufenden Dächer der Stupas blitzten in den hügeligen Wäldern.